Reaktivierung – Wirtschaftlichkeit infrage gestellt
Aar. In Holzheim formiert sich eine Interessengruppe, die sich gegen die Reaktivierung der 1986 für den Personenverkehr stillgelegten Aartalbahn ausspricht. Geplant war die Wiederinbetriebnahme des rund zwölf Kilometer langen Streckenabschnitts zwischen Diez und Zollhaus für den August 2015. In der jüngsten Ratssitzung in Hahnstätten deutete Volker Satony, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Hahnstätten, an, dass dieser Termin voraussichtlich nicht eingehalten werden könne. Die Aufnahme des Personenverkehrs könne sich bis 2016 verzögern.
Die Verbandsgemeinden Hahnstätten und Diez sind Eigentümer der Strecke. In der Sitzung hatte der VG-Rat Hahnstätten die Ingenieurleistungen für die Reaktivierung vergeben; doch nur für den Fall, dass eine beantragte Kostenübernahme des Landes vollzogen wird. Der Bewilligungsbescheid wird noch in diesem Jahr erwartet. So weit die jüngste Entwicklung in den vergangenen Wochen und Monaten.
In Holzheim werden nun Bürger aktiv, die in erster Linie die Wirtschaftlichkeit der Reaktivierung anzweifeln. Weiter erwarten sie durch die Züge eine erhöhte Lärmbelästigung. In einem Gespräch mit der RLZ erläutern Alexander Ettlich und Bernd Felten als Initiatoren der Interessengruppe ihre Gründe.
„Es wird immer von einem positiven gesamtwirtschaftlichen Nutzen gesprochen. Grundlage dieser Aussagen waren zwei Nutzen-Kosten-Analysen, bei denen man ursprünglich von Kosten für die Reaktivierung von 4,88 Millionen Euro ausging. In einer zweiten Analyse wurden 6,12 Millionen Euro ermittelt“, betonen Ettlich und Felten. Inzwischen habe man aber aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass die Kosten weiter gestiegen seien. Beide verlangten Einsicht in die aktuelle Nutzen-Kosten-Analyse. Diese Einsicht sei zwar zugesichert worden, doch erhalten habe man sie bisher nicht.
Offen sei weiter, ob die Analyse einen Güterverkehr der Kalkwerke Schaefer in Hahnstätten enthalte, obwohl die Geschäftsführung des Kalkwerks dies zurzeit nicht vorsehe. „Für die aktuelle Planung des Merschelbruchs und der dort vorgesehenen Bauvorhaben ist aktuell kein Gleisanschluss geplant“, erläutert Alexander Ettlich. Rechne man die gestiegenen Kosten in die Nutzen-Kosten-Analyse ein, so ergebe sich ein Quotient von unter eins. Ab einem Quotienten von eins sei jedoch erst die Wirtschaftlichkeit gegeben.
Unklar sei weiter, welche Kosten auf die Gemeinden zukommen. Ettlich und Felten führten bereits direkte Gespräche sowohl mit Volker Satony als auch mit Holzheims Ortsbürgermeister Werner Dittmar, um die Situation zu erörtern. Bisher sei man davon ausgegangen, dass den Gemeinden für die Reaktivierung keine Kosten entstehen.
Offen sei jedoch das Umfeld der jeweiligen Stationen in den Orten. Auf Nachfrage der RLZ sagte Holzheims Ortsbürgermeister, dass im nächsten Haushalt der Gemeinde kein Geld für die Reaktivierung der Aartalbahn eingeplant sei. Im Gespräch mit Bürgermeister Volker Satony sei weiter deutlich geworden, dass noch kein Konzept für die notwendigen Zubringerbusse aus Ortschaften wie Mudershausen, Kaltenholzhausen oder Lohrheim vorliege. Genauso ungeklärt sei weiter der Schülertransport mit Bahn und Bus oder nur mit dem Bus. Weitere Kosten würden durch Schallschutzmaßnahmen wie in Freiendiez, Holzheim oder Hahnstätten entstehen.
Ettling und Felten sind beide direkte Anwohner der Strecke der Aartalbahn in Holzheim. Sie beteuern jedoch, dass sie bereits seit vielen Jahren an der Strecke leben, Felten sogar schon zu Zeiten, als die Aartalbahn noch von Limburg bis Wiesbaden in Betrieb war. Dazu sagt er abschließend: „Das ergab Sinn, und trotzdem wurde sie mangels Interesse der Bürger an der Aar eingestellt.“ Und dies sei in einer Zeit geschehen, in der die meisten Familien noch nicht so mobil waren wie heute.